Die Jugendlichen setzen sich für Frieden ein.

Die Jugendlichen setzen sich für Frieden ein.

Bild: Raphael Quandt

Tschechien

Bildung gegen Hass

Die Partnerkirche der Fastenaktion 2023 will sich in Tschechien für Bildungsprojekte einsetzen, die Versöhnung und Frieden in Kirche und Zivilgesellschaft bringen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit Kindern.

Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder in Tschechien ist 2023 die Partnerkirche der Fastenaktion 2023. “Gib Frieden Herr, gib Frieden” ist das Motto der Aktion. Mit den Spendengeldern sollen Bildungsprojekte gefördert warden. Raphael Quandt sprach mit Eva Balcarová von der Kirche der Böhmischen Brüder über die Friedensarbeit und die konkreten Förderprojekte.

Der Fokus der Fastenaktion liegt auf der kirchlichen Friedensarbeit. Warum ist dies ein wichtiges Thema für Ihre Kirche?

Friedensarbeit war für mich persönlich immer ein Thema der Kirche, ich habe Kirche immer als Trägerin des Friedensgedankens wahrgenommen. In den Zeiten des totalitären Systems in Tschechien in Jahren 1968-1989 war Kirche und darunter auch unsere Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder ein Ort, wo man andere Informationen, als in offiziellen Medien, bekommen hat, wo man mit ausländischen Partnern damals verbotene Bücher herausgegeben hat und wo man einen geschützten Raum in schwierigen Zeiten gefunden hat. Die Rolle der Kirche und ihrer Arbeit hat dazu beigetragen, dass das kommunistische Regime gefallen ist. Heute in der schwierigen Situation mit dem Krieg in der Ukraine, fängt das Thema Frieden wieder an, ganz neue Bedeutung zu haben. Die Kirche ist bei der Unterstützung des Friedens erneut gefordert!

Open Space hieß die Jugendtagung in Tschechien.

Bild: ELKB

Open Space hieß die Jugendtagung in Tschechien

Welche besonderen Herausforderungen gibt es in Tschechien bei diesem Thema? Und welche Strategien verfolgt Ihre Kirche dabei?

Die Kirche hat dieses Jahr einen ganz großen Teil der humanitären Hilfe für ukrainische Geflüchtete geleistet. Nicht die großen humanitären Organisationen, nicht der Staat, sondern vor allem die einzelnen Menschen in den Kirchgemeinden, die mehr als 2000 ukrainischen Frauen und Kindern Unterkunft und andere Hilfe angeboten haben - ohne gleich daran zu denken, ob sie dafür finanzielle Unterstützung bekommen.

Durch diese Arbeit hat unserer Kirche einen hohen Ansehenszuwachs in der Gesellschaft bekommen. Uns sprechen verschiedene interessante Partner aus dem gesellschaftlichen Leben an und bieten uns ihre Zusammenarbeit an. Wir konnten so zum Beispiel dieses Jahr eine Bibliothek für ukrainische Kinder eröffnen und bereiten einen literarischen Wettbewerb zum Thema „Steh nicht abseits!“ vor. Wir möchten mit diesen Aktivitäten die ukrainischen Kinder integrieren und durch Schreiben und Lesen die Kinder dazu bilden, dass sie sich für andere interessieren, sich engagieren und helfen.

All diese Hilfe war aber nur deshalb möglich, weil die Kirche „innerlich“ vorbereitet war. Abgesehen von der Kriegsthematik war unsere Kirche und Ihre Menschen bereits vorher in verschiedenen Bereichen aktiv, ausgebildet und vorbereitet. So gibt es bereits große Bildungsprogramme für ehrenamtliche Jugendliche und Laien in der Kirche zu verschiedenen Themen, wie z.B. gegen sexuelle Gewalt. Unsere Schwerpunkte der Bildungsarbeit liegen auch in der Arbeit mit Kindern in den Kirchgemeinden, in dem Bereich der Behindertenarbeit, wir unterstützen eine Reihe von Programmen zu 70 Jahre Frauenordination oder politisch-gesellschaftliche Bildung. Und nicht zuletzt würden wir auch gern den Bildungsstand eigener Mitarbeiter erhöhen.

Sie sprechen die Bedeutung der Bildung immer wieder an. Warum ist genau hier Ihrer Meinung nach, der Schlüssel zu mehr Frieden und Verständigung in der Gesellschaft?

Ich persönlich denke, dass Bildung immer gut ist. Als jemand, die eben noch Kommunismus „live“ erlebt hat, konnte ich sehen, was passiert, wenn Menschen ohne Ausbildung die Regierung übernehmen – einfach nichts besonders Gelungenes. Gut gebildete Menschen sind meist fähig, gute Entscheidungen zu treffen, können gut wirtschaften und sind solidarisch mit anderen. Sie spüren eine besondere innere Motivation für ihre Arbeit. Und alle diese Fähigkeiten braucht nicht nur unser Staat, sondern auch die Kirche und Zivilgesellschaft.

Oder ganz einfach geantwortet mit einer Kurzgeschichte: Fragt der Finanzchef den Direktor: Kannst Du Dir vorstellen, was für schreckliche Summen wir für die Bildung unserer Mitarbeiter bezahlen müssen? Der Direktor antwortet: Und kannst du dir die Summen vorstellen, die wir zahlen müssten, wenn wir es nicht machen? Bildung ist wichtig, erweitert das Denken über mich und mein Umfeld hinaus, und kann zu Ruhe und Friede in der Gesellschaft führen.

Gibt es bereits erfolgreiche Projekte aus dem Bereich der kirchlichen Friedensarbeit, von denen Sie erzählen können?

Ja, ich nenne nur paar Beispiele: Gegen Hass und Rassismus: Dieses Jahr haben wir als Kirche eine Konferenz im Senat organisiert. „Vielfalt, Andersartigkeit, Vorurteile und Angst“ war der Titel einer Sonderkonferenz, die am 28. April 2022 im Sitzungssaal des Wallensteinpalastes auf der Prager Kleinseite stattfand. Die Konferenz wurde von unserer Kirche in Zusammenarbeit mit dem Senat des Parlaments der Tschechischen Republik und der Stiftung gegen Rassismus organisiert. Die Halle war hauptsächlich von Gymnasiasten und ihren Eltern gefüllt.

Die Senatskonferenz befasste sich mit Rassismus und Menschenrechten. Inhaltlich bestand das ganztägige Seminar hauptsächlich aus Beiträgen und Diskussionen zum Thema Menschenrechte von Minderheiten. Da die Veranstaltung während der UN-Wochen stattfand, ging es vor allem um rassistische Diskriminierung und Hassreden. Das Patronat über die Konferenz hatte Senatspräsident Miloš Vystrčil. Gegen sexuelle Gewalt: Unsere Kirche hat dieses Jahr gemeinsam mit anderen Kirchen in Tschechien einen Verband gegen sexuelle Gewalt gegründet. Dieser Verband wird nächstes Jahr in allen unseren Kirchbezirken tätig sein und Menschen informieren und Workshops vorbereiten. Wir sehen dieses Thema gerade in der Zeit, wo viele ukrainische Frauen und Kinder bei uns sind, als sehr wichtig an.

Für Kinder und Jugendliche: Wir machen viele Aktivitäten für Kinder und Jugendliche, als ein Beispiel nehme ich hier die Bildungsprogramme für freiwillige Mitarbeiter der Jugendkirche. Sie sind in allen möglichen Bereichen der Kirche tätig, von Arbeit mit behinderten Menschen, über Kinderbildung in den Kirchgemeinden bis zur Arbeit mit ukrainischen Geflüchteten. Die Jugendlichen sind auch stark an den Themen der LGBT interessiert, sowie an Themen gegen sexuelle Gewalt.

Das Jugendbildungsprogramm im Rahmen der Fastenaktion ist eine kirchenweite Veranstaltung, deren Hauptziel es ist, die aktivsten Vertreter der ehrenamtlich tätigen Jugendlichen der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder zusammenzubringen, sie in ihrer derzeitigen und künftigen ehrenamtlichen Tätigkeit zu schulen und zu unterstützen, sie zu lehren, auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens demokratisch zu handeln, ihre Kompetenz in der ehrenamtlichen Arbeit in Kirche und Gesellschaft zu entwickeln und zur Förderung der Integrität junger Menschen beizutragen.

Welche besonderen Herausforderungen sind mit dem russischen Angriff auf die Ukraine noch hinzugekommen, was die kirchliche Friedensarbeit betrifft?

Mit der Arbeit für die Flüchtlinge hat unsere Kirche viel Engagement, Kraft und Solidarität gezeigt. Die ganze Arbeit lief ganz schnell, das ganze Jahr haben wir nur auf die kommende Situation „reagiert“. Wir haben aber vieles geschafft. Für nächstes Jahr wissen wir schon bisschen besser, wie unsere Richtung ist und was wir in der Flüchtlingsarbeit, aber auch in der Arbeit für die tschechische Gesellschaft leisten möchten.

Wir planen Frauengruppen für tschechische und ukrainische Frauen, einen literarischen Wettbewerb für tschechische und ukrainische Kinder, wir bereiten Freizeitprogramme für Kinder, aber auch alte Menschen, die zu uns aus Ukraine gekommen sind, vor. Wir müssen zusätzlich auch auf eine weitere Welle der Flucht aus der Ukraine vorbereitet sein, wie auch auf die Energiekrise und die Verschuldung der Gesellschaft.

Es ist viel und alles läuft schnell, manchmal habe ich das Bild vor mir, dass wir dem Schnellzug hinterherrennen. Trotzdem sehe ich alle Probleme, die mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängen, als große Chance, zu zeigen, wozu die Kirche da ist und was ihre Aufgabe ist, nämlich den Menschen zu helfen, die es brauchen.

15.12.2022
Raphael Quandt