Sierra Leone Schulkinder

Auf dem Weg in eine bessere Zukunft Elf Kinder und Jugendliche leben im Haushalt von Ali Sesay, neun davon gehen in die Schule.

Bild: Helge Bendl/Brot für die Welt

Sierra Leone

Die Chance auf ein besseres Leben

Etwa 20 Euro kostet in Sierra Leone der Schulbesuch pro Kind im Jahr, das können sich viele Eltern nicht leisten. Brot für die Welt, das evangelische Entwicklungswerk, will Kindern und Eltern helfen.

Ali Sesay hat sich seine Sorgen nie anmerken lassen. Nicht, als ihm das Geld fehlte, um Schuluniformen für die Kinder zu kaufen. Nicht, als er ihnen we-der Stifte noch Hefte besorgen konnte und sich deswegen schämte vor dem Lehrer und seinen Nachbarn. Und selbst dann nicht, als er fast verzweifelte, weil der Ertrag seines Reisfelds Jahr für Jahr geringer ausfiel und seine Familie in den Monaten vor der Ernte nie genug zu essen hatte.

Wir waren vor Ebola hier, waren während Ebola hier, und sind nach Ebola immer noch hier. Unser wichtigstes Ziel ist, dass die Kinder ihren Grundschulabschluss machen – damit haben sie dann eine echte Chance auf ein besseres, selbstbestimmtes Leben.

Vidal Roberts, Direktor der Siera Grass-roots Agency

Der Kleinbauer wollte unbedingt einen Weg aus der Armut finden, um seinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch er wusste nicht wie. Umso glücklicher war er, als Mitarbeitende der Siera Grassroots Agency (SIGA), einer Partnerorganisation von Brot für die Welt, in sein Dorf Mamorka kamen und den Ärmsten der Armen ihre Unterstützung anboten – unter der Voraussetzung, dass sie selbst mit anpacken würden. Das hat Ali Sesay getan. Und deshalb kann er heute stolz sagen: „Die Saat ist aufgegangen.“

Niemand muss mehr hungern

Auf den ersten Blick scheint Mamorka ein Dorf wie viele andere im Landesinneren von Sierra Leone, wo die Menschen nicht erst seit der verheerenden Ebola-Epidemie im Jahr 2014 mehr schlecht als recht von der Landwirtschaft leben: Es gibt keinen Strom in den mit Schilfrohr gedeckten Lehmhütten, die sich um einen handbetriebenen Brunnen gruppieren. Die wenigen, die ein Mobiltelefon besitzen, können das nur einen halben Tagesmarsch entfernt im Städtchen Mile 91 aufladen. Und gekocht wird auf offenen Holzfeuern, deren Glut die Frauen nie ausgehen lassen.

Doch bei Ali Sesay gibt es schon zum Frühstück einen riesigen Topf Reis und dazu für jeden zwei Schöpflöffel einer dicken Soße aus Palmöl, Fisch und Maniokblättern. Niemand in seinem Haushalt muss Hunger leiden. Und alle seiner Sprösslinge im schulfähigen Alter gehen zum Unterricht – ausgestattet mit allen Dingen, die sie zum Lernen brauchen.

Die Erträge haben sich verdoppelt

Etwa 200.000 Leones (20 Euro) kostet das pro Kopf im Jahr – so viel, wie eine kleine Ziege auf dem Markt einbringt. „Früher konnte ich mir das nicht leisten“, sagt Ali Sesay. Seine ältesten Kinder konnten nur deshalb in die Schule gehen, weil SIGA für die Kosten aufkam. Doch das hat sich längst geändert: Weil die Mitarbeitenden der Hilfsorganisation ihm und den anderen Männern des Dorfes beibrachten, wie man neue Sorten von Maniok und Reis erfolgreich anbaut, fahren die Bauern von Mamorka nun Jahr für Jahr reiche Ernten ein. „Mein Ertrag hat sich verdoppelt“, erzählt Ali Sesay stolz. Zudem bekam die Frauengruppe des Dorfes Gemüsesamen sowie die passenden Ge-rätschaften für den Anbau. Nicht nur die Ernährung hat sich so verbessert:

Die auf dem Markt verkauften Überschüsse sorgen auch für mehr Geld in der Familienkasse. Dass hinter jedem Gehöft nun Federvieh gackert und Zicklein meckern, ist ebenfalls ein Ergebnis des Projekts: Die Zucht von Hühnern und Ziegen ist in Sierra Leone sehr profitabel. So hat das ganze Dorf auch in Sachen Bildung einen Sprung nach vorn gemacht. 310 Jungen und Mädchen besuchen die kleine Grundschule. So viele waren es früher nie.

Die kleine Grundschule in Mamorka platzt aus allen Nähten. 310 Jungen und Mädchen besuchen den Unterricht

Bild: Helge Bendl/Brot für die Welt

Sierra Leone Mamorka Schulkinder

Alle Kinder gehen in die Schule

Bevor Ali Sesay am Morgen auf sein Feld geht, kümmert er sich darum, dass seine Sprösslinge alle Unterlagen für den Unterricht beisammen haben. Sowohl die Erstklässler Umaro und Mariatu, denen ihr Vater noch beim Anziehen der Schuluniform hilft, ehe der schüchterne Junge und das quirlige Mädchen sich dann auf den staubigen Weg zur Schule machen und dabei laut die Buchstaben des Alphabets herunterrattern. Aber auch die unzertrennlichen Brüder Amara und Mohammed, die später im Klassenraum vorne an der Tafel stehen und ihren Mitschülern die Fabel von einem treuen Hund vortragen, der das Baby seines Herrchens vor einer Schlange beschützt.

Und auch der in sich gekehrte Foday, der in die vierte Klasse geht, und seine vier älteren Geschwister Osman, Isata, Aruna und Fatimata. Das Teenager-Quartett hat einen zehn Kilometer langen Weg vor sich, denn in Mamorka gibt es keine weiterführende Schule. Insgesamt elf Kinder leben in Ali Sesays Haushalt. Ein Junge macht eine Ausbildung zum Schreiner, ein Kind ist noch ein Baby. Doch alle anderen gehen jeden Tag zur Schule.

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Deine Hilfe für die Kinder in Sierra Leone kommt an:
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Weniger

Elf Kinder? Das ist selbst für ein Dorf in Sierra Leone, wo die Familien in der Regel viel größer sind als in Deutschland, eine imposante Zahl. „Das sind aber nicht nur unsere eigenen“, lacht Alis Frau Ramatu. „Wir kümmern uns auch um Kinder von Bekannten und Verwandten.“ Wie fast alle im Dorf Mamorka gehört Ramatu zur Ethnie der Temne. Bei ihnen zählten Solidarität und Zusammenhalt traditionell zu den wichtigsten Werten, erklärt sie. Die sind bis heute eine Verpflichtung, auch in schlechten Zeiten. „Wir versuchen immer, unseren Mitmenschen zu helfen.“

Die Chance auf ein besseres Leben

Deswegen gab sie auch einem Waisenkind eine Chance auf ein besseres Leben. Das war, so erzählen es die Nachbarn mit Respekt in der Stimme, zu einer Zeit, als Ali noch kein erfolgreicher Landwirt war und der Kochtopf seiner Frau mehr leer als voll. Ali und Ramatu Sesay sind nicht die biologischen Eltern des heute 19-jährigen Aruna: Die beiden haben ihn aufgenommen, als er noch ein kleiner Junge war. Arunas Vater und seine Mutter waren in den Wirren eines verheerenden Bürgerkriegs, in dem viele hunderttausend Menschen getötet und zwei Millionen vertrieben worden waren, ums Leben gekommen.

Mamorka ist ein Dorf wie viele andere in Sierra Leone. Die Mwenschen leben in Lehmhütten, die mit Schilfrohr gedeckt sind.

Bild: Helge Bendl/Brot für die Welt

Lehmhütte Mamorka

Wie viele Kinder aus Mamorka ging Aruna damals nur unregelmäßig zur Schule. Es lag am Hunger, und er hatte keine Wahl. „Zu Hause gab es nie genug zu essen. Deshalb mussten auch wir Kinder mithelfen, Geld zu verdienen.“ Zu tun gab es immer etwas, und oft sprangen ein paar Münzen als Belohnung heraus. Aruna half den Nachbarn, ihre Ernte zum Markt zu tragen, packte Holzkohle in Säcke und verkaufte Papayas an der Überlandstraße. Auch seine annähernd gleich alte Stiefschwester Fatimata musste mit anpacken. Viele ihrer Freundinnen kamen damals überhaupt nicht zum Unterricht, erzählt sie: „Heute gibt man uns die gleichen Chancen wie den Jungs. Doch noch vor ein paar Jahren wussten viele Eltern nicht, dass auch Mädchen ein Recht darauf haben, zur Schule zu gehen.“

Ein Stapel an Büchern und Heften

„Wer ständig fehlt, verliert im Unterricht schnell den Anschluss“, sagt Aruna. Er hat miterlebt, was dann passiert: „Viele Schüler haben keine Lust mehr und bleiben irgendwann ganz weg.“ Dieses Schicksal hätte auch ihm blühen können. Doch Aruna und Fatimata zählen zu den insgesamt 115 Schülerinnen und Schülern im Dorf, denen durch das Projekt direkt geholfen wurde.

Siera Grass-roots Agency (SIGA)

Die Graswurzelorganisation SIGA wurde 1989 gegründet. Ihr Ziel ist es, die Lebensbedingungen armer und benachteiligter Menschen zu verbessern. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Bildung. Das aktuelle von Brot für die Welt unterstützte Projekt im Distrikt Tonkolili ermöglicht 200 Kindern zwischen 6 und 13 Jahren den Schulbesuch und schult ihre Eltern in nachhaltiger Landwirtschaft, sodass sie höhere Einkünfte erzielen und nicht mehr auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen sind. Außerdem erhalten 100 Jugendliche und junge Erwachsene die Möglichkeit, eine Ausbildung in den Bereichen Metallverarbeitung, Schneiderei und Schreinerei zu absolvieren.

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Weniger

„Wir haben einen ganzen Stapel an Lehrbüchern und Heften bekommen, dazu etliche Stifte und eine brandneue Schuluniform“, erzählt Aruna. Wie fast alle Nutznießer des Projekts war er nun wieder Feuer und Flamme für die Schule. „Das hat mich wieder in die Spur gebracht.“ Bei den sechs Jahren in der Grundschule ist es nämlich nicht geblieben: Nach der sechsten Klasse hat er ein Stipendium für eine weiterführende Schule ergattert und steht nun kurz vor dem Abitur. „Das muss ich jetzt unbedingt schaffen“, grinst er, „denn Fatimata ist mir dicht auf den Fersen.“ Seine Stiefschwester wird in zwei Jahren soweit sein: Sie hofft dann auf ein Studium der Medizin. Am Nachmittag übt Aruna mit den anderen Kindern und kontrolliert ihre Hausaufgaben. Lehrer werden möchte er aber nicht: „Am liebsten würde ich später etwas mit Computern machen“, verrät er. Doch in Sierra Leone auf dem Land, wo es nur Strom für die wenigen gibt, die sich einen Generator und Treibstoff leisten können, dürfte das schwierig werden. Vielleicht entscheidet er sich also für eine Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich. Das wäre ganz im Sinne seines Ziehvaters Ali. Der hat nämlich noch ein paar sumpfige Flächen ausgemacht, die man wunderbar zum Reisanbau nutzen könnte. Mit einem Landwirtschaftsexperten vor Ort dürfte die Ernte der Dorfgemeinschaft in Zukunft noch reichlicher ausfallen als heute.

13.11.2018
Brot für die Welt - Projektinformation/ELKB

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