Seit ein paar Jahren gibt es für die Familien im Nord-Westen Nicaraguas eine Alternative zu den offenen Feuerstellen.

Das Ehepaar Amparo und Exequiel Biscay, EinwohnerInnen des Dorfes La Carbonera, kochen auf ihrem neuen Ofen Mais für ihre Gäste.

Bild: Luisa Buckel

Nicaragua

Auf Sparflamme

Wie ein Ofenprojekt in Nicaragua Ressourcen und Gesundheit schont.

In den ländlichen Gebieten Nicaraguas gibt es das ungeschriebene Gesetz, dass in einem funktionierenden Haushalt immer eine Glut im Herd sein muss. Das Feuer ist also ständig im Gebrauch. Sei es zum Kochen der Bohnen, zum Backen von Tortillas oder zum Rösten von Zuckermais. Abends wenn es langsam kälter wird, stellt das Feuer auch eine beliebte Wärmequelle dar, um die sich die Familienmitglieder versammeln um sich gegenseitig von ihrem Tag zu erzählen. Am nächsten Morgen wird neues Holz nachgelegt und die Glut erneut angefacht. Rund um die Uhr knistert das Feuer im Ofen. Das hat gravierende Folgen.

Alejandra Cortez, Mitarbeiterin der lutherischen Kirche Nicaraguas, führt im Zuge der Evaluation für die Klima-Kollekte eine Befragung mit Doña Marile, Einwohnerin des Dorfes San Luis, durch.

Bild: Luisa Buckel

Alejandra Cortez, Mitarbeiterin der lutherischen Kirche Nicaraguas, führt im Zuge der Evaluation für die Klima-Kollekte eine Befragung mit Doña Marile, Einwohnerin des Dorfes San Luis, durch.

Von der ursprünglich üppigen Waldbedeckung Nicaraguas sind mittlerweile nur noch ungefähr 30 Prozent Naturwald übrig. Laut dem Biologen Wilfried Leupolz steht, wenn es mit der Abholzung so weitergeht wie bisher, in 30 Jahren kein Baum mehr. Doch die Landbevölkerung braucht das Holz zum alltäglichen Überleben. „Alle Familien, die auf dem Land leben, benutzen Holz zum Kochen“, erklärt Luisa Amanda Rivera, Ärztin im Krankenhaus von Somotillo, nahe der honduranischen Grenze.

Der hohe Holzverbrauch stellt zum einen ein Problem für die Umwelt dar. Durch den Rückgang der Baumvegetation trocknen die Böden mehr und mehr aus, die Vielfalt der Tiere und Pflanzen nimmt drastisch ab und durch Verbrennung wird viel CO2 freigesetzt. Auch der Klimawandel macht die Situation nicht leichter. Die Regen- und Trockenzeiten werden immer intensiver.

Vor allem für die Bevölkerung in ländlichen Gebieten ist das eine große Herausforderung. „Egal, ob Dürre oder Regen - das Wetter wird immer extremer. Das macht unser Land verwundbarer“, sagt Maryan Guzman Lopez, ein Mitarbeiter der lutherischen Kirche Nicaraguas. „Die Landbevölkerung ist stark vom Klimawandel betroffen. Sie sind Bauern und von der Natur abhängig. Sie Leben von ihr.“

Ofeningenieur Eswin Antonio beim Bau eines verbesserten Ofens.

Bild: Luisa Buckel

Ofeningenieur Eswin Antonio beim Bau eines verbesserten Ofens.

Die Auswirkungen der Dürreperioden werden durch die starke Abholzung noch verstärkt. Auf der anderen Seite ist der schrumpfende Holzbestand auch ein Problem für die Familien, die vom Holz abhängig sind. „Vor 20 Jahren gab es überall genügend Brennholz. Aber heute findet man fast keines mehr. Es ist sehr schwierig, etwas zu bekommen.“, klagt Luz Marina Reyes, Einwohnerin des Ortes Piedras Morenas, man müsse mittlerweile ungefähr einen Kilometer laufen, um ein paar Holzscheite zu finden.

Ein weiterer negativer Aspekt sind die gesundheitlichen Auswirkungen des stetig glimmenden oder brennenden Feuers. Der Rauch, der durch das Verbrennen des Holzes in den traditionellen Öfen entsteht, sei „ein Problem für die Gesundheit“, erklärt Dr. Rivera. „Wir haben viele Patienten mit chronischen Lungenbeschwerden. Besonders Jugendliche und Erwachsene ab dem 15. Lebensjahr sind davon betroffen. Zudem haben wir viele Patienten unter 10 Jahren, die an Asthma leiden. Das ist die Folge des Rauchs, dem sie in ihren Wohnhäusern ausgesetzt sind.“

Außerdem wird in den traditionellen Öfen fast nie mit Trockenholz geschürt, da damit die Flamme weniger gut kontrolliert werden kann und das Essen leichter verbrennt. Stattdessen wird größeres, massiveres und feuchteres Holz verwendet, was zwar mehr Kontrolle ermöglicht, aber auch die Rauchentwicklung und den Holzverbrauch steigert.

Ein neuer Ansatz
Seit ein paar Jahren gibt es für die Familien im Nord-Westen Nicaraguas eine Alternative zu den offenen Feuerstellen. Die lutherische Kirche vor Ort (Iglesia Luterana de Nicaragua „Fe y Esperanza“) hat gemeinsam mit Mission EineWelt ein Projekt zur Verbesserung der Öfen ins Leben gerufen, das auch von der Klima-Kollekte unterstützt wird. Hauptziele sind die Verbesserung der Gesundheit der Einwohner/innen sowie der Erhalt der Biodiversität und die Reduktion des Holzverbrauchs.

Aktuelle Ziele

Die Kirche ist vor allem in den Bezirken Chinandega, Carazo und Madriz aktiv. Bis heute wurden insgesamt 447 Öfen in mehr als 29 Gemeinden gebaut. Die aktuellen Ziele sind: Die Reparatur der kaputten Öfen, die Suche nach neuen Familien, die einen neuen Ofen haben wollen und die Verbesserung von Bildung und Kommunikation, um Misserfolge des Projekts zukünftig zu vermeiden. 

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Laut dem Projektplan von 2012 sollten in der ersten Periode des Programms 270 neue und verbesserte Öfen gebaut werden. Heute sind es 447 moderne Kochstellen. Doch bis es so weit kommen konnte, mussten einige Schwierigkeiten bewältigt werden. Die erste Aufgabe war, die Landbevölkerung für das Thema des Holzverbrauchs und dessen Folgen für die Umwelt zu sensibilisieren. Aber viele Doñas de la casa (Chefinnen des Hauses) hatten Zweifel, ob sie mit der ihnen unbekannten Technik und mit weniger Holz noch genau die gleiche Menge Essen in der gleichen Qualität kochen konnten wie vorher. Zudem sind die Zugangswege zu den Comunidades (Siedlungen) auf dem Land oft nur mit geländetauglichen Fahrzeugen oder manchmal auch nur mit einem Ochsenkarren zu erreichen. Das macht den Materialtransport nicht gerade leichter. Und schließlich musste das Projekt sehr streng daraufhin überprüft werden, ob es die Normen der Klima-Kollekte erfüllte.

Die Materialien für die Öfen werden von lokalen Betrieben in der näheren Umgebung bezogen: die Ziegelsteine aus einer örtlichen Ziegelei, die Metallteile wie Ofenrohr und Herdplatte aus nahegelegenen Werkstätten. Als Hauptmaterial dient Lehm. Die fertige neue Kochstelle besteht aus einer kleinen Brennkammer, in der Ästchen und nicht mehr ganze Äste verbrannt werden können. Das in der Brennkammer entfachte Feuer erwärmt eine Metallplatte, die sich über der Brennkammer befindet. Der Rauch wird durch das Ofenrohr abgesogen und der feine Ruß setzt sich in einem Hohlraum hinter der Brennkammer ab, der über einen kleinen Zugang geleert werden kann.

Zur lutherischen Kirche Nicaraguas „Glaube und Hoffnung“ gehören über 48 Kirchengemeinden. Die Kirche ist in vielen verschiedenen Bereichen tätig und arbeitet mit zahlreichen Partner/innen zusammen. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf Bildung, auf der Unterstützung von Frauen, Kindern und Jugendlichen und auf diakonischer Arbeit. Auch die kircheneigene Grundschule bildet einen wichtigen Teil der Arbeit. Das Oberhaupt der ILFE ist momentan Bischöfin Victoria Cortez. Infos unter: https://de-de.facebook.com/iluterana.ni.org/

Die Klima-Kollekte ist der CO2-Kompenstionsfonds der christlichen Kirchen. Sie bietet ihren Nutzern die Möglichkeit, deren CO2-Ausstoß zu kompensieren, indem diese einen bestimmten Betrag pro ausgestoßene Tonne CO2 in Klimaprojekte investieren können. Die von der Klima-Kollekte unterstützten Projekte werden jährlich streng auf ihre Effektivität kontrolliert. Infos unter: https://klima-kollekte.de/

Gebaut wird der verbesserte Ofen zum Teil von den Familien selbst, zum Teil von Mitarbeitern aus der Umgebung, die von den Ingenieuren der Kirche eigens für diese Arbeit ausgebildet wurden. „Wenn man trockene Ästchen verwenden will, muss man eine Feuerkammer haben, die möglichst klein ist und das schnelle Abbrennen dieses Holzes verhindert.“, erklärt Leupolz. Das ist das Grundkonzept hinter den neuen Öfen. Durch die neue Bauart kann das zuvor ungenutzte Trockenholz verwendet werden, das leichter zu finden ist und das Fällen ganzer Bäume weitestgehend unnötig macht.

Außerdem wird durch die effiziente Konstruktion des Ofens bis zu 40 Prozent weniger Holz pro Tag verbraucht als vorher. Die größte Neuheit ist jedoch das Ofenrohr, das für eine rauchfreie Küche sorgt. „Wenn man vorher mit einem alten Ofen einen Tag lang drinnen kochte, war der Rauch so stark, als hätte man zwei Schachteln Zigaretten an einem Tag geraucht.“, berichtet Eswin Antonio, einer der Ofeningenieure. Das Ofenrohr reduziert diesen Effekt beträchtlich. „Ich habe meinen Kindern gesagt, dass ich mir wünsche, noch zehn Jahre zu leben. Nachdem ich jetzt alt bin, ist der ganze Rauch in meinen Lungen. Da ich aber jetzt meinen neuen Ofen habe, sage ich zu meinen Kindern: Nun werde ich keinen Husten oder Ähnliches mehr bekommen.“, freut sich Delfa Rosas Mejía, Einwohnerin der Comunidad El Caimito. Damit der Wert des Ofens auch geschätzt wird, bekommen ihn die Familien nicht ganz geschenkt. Der Bau eines Ofens kostet ungefähr 90 Euro und dauert circa zwei Tage.

Nicaragua

Nicaragua liegt in Zentralamerika und grenzt im Norden an Honduras und im Süden an Costa Rica. Managua, die Hauptstadt Nicaraguas, liegt am gleichnamigen zweitgrößten See des Landes, dem Managuasee. Der Großteil der 6.150.000 Einwohner/innen muss pro Tag mit weniger als 67 Córdoba, also zwei US-Dollar auskommen. Durch die jüngsten politischen Unruhen hat sich die wirtschaftliche Lage vieler Nicas noch verschlechtert. Die reiche Natur und Kultur Nicaraguas lockt jährlich viele Touristen ins Land. Sie stellen neben dem Export von Kaffee, Kakao, Zucker und Rum eine der wichtigsten Einnahmequellen dar. Jedoch warnt das Auswärtige Amt immer noch vor einem möglichen erneuten Aufflackern der politischen Konflikte, da sich Teile der Bevölkerung weiterhin gegen Präsident Daniel Ortega auflehnen.

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Die Haushalte, die einen Ofen bekommen, müssen die Handwerker während ihrer Arbeit verpflegen und einen geringen finanziellen Beitrag für die Materialien leisten. Außerdem müssen sie einen kleinen Tisch aus Lehm an der Stelle vorbauen, an der sie die neue Kochstelle haben möchten. Dieser fungiert als Unterlage für den obenauf gebauten Ofen und erspart den Konstrukteuren einiges an Arbeit und Arbeitszeit. Um den korrekten Umgang mit dem Ofen und dessen Instandhaltung zu erlernen, nehmen die neuen Ofenbesitzer/innen an verschiedenen Seminaren teil.

All diese Maßnahmen sollen für die Nachhaltigkeit des Projekts sorgen. Oder, wie es Felix Basel, einer der ehemaligen Projektverantwortlichen in Somotillo formuliert: „Das Ziel ist dabei, keine neuen Abhängigkeiten zu schaffen. Das heißt, den Leuten ist es möglich, nach einem Workshop den Herd selber aufzubauen. Und die Materialien sind hier lokal verfügbar.“ So viel zur Theorie. In der Praxis sieht das an manchen Stellen leider noch anders aus. Um weiterhin von der Klimakollekte Fördergelder zu erhalten, werden jedes Jahr von der lutherischen Kirche Nicaraguas unter der

Aufsicht eines externen Prüfers, Evaluationen durchgeführt. Bei diesen Überprüfungen soll die Klimaeffektivität und der generelle Erfolg des Projekts analysiert werden. Im Zuge dessen fahren Mitarbeitende der Kirche zu den einzelnen Dörfern, führen Gewichtsmessungen mit Feucht- und Trockenholz durch, befragen die Leute nach ihrer Zufriedenheit mit den neuen Kochstellen und überprüfen die Öfen. Dabei wird in manchen Fällen festgestellt, dass die Familien trotz der Bildungsmaßnahmen ihre Öfen nicht korrekt benutzen und kleinere Schäden nicht selbst reparieren konnten. Manche haben sogar den neuen Herd zerstört, da sie sich nicht an die neue Art des Heizens gewöhnen konnten, und nutzen ihn wieder wie die alten Öfen. Aber das sind Ausnahmen.

Die meisten Familien sind mit den effizienteren Öfen sehr zufrieden. Die Evaluationen zeigen, dass von jedem der Haushalte mit neuer Kochstelle rund 3,15 Tonnen weniger CO2 pro Jahr ausgestoßen werden. Hinzu kommt, dass die Frauen nun weniger Zeit zum Holzsammeln benötigen, da sie generell weniger Holz verwenden und das Trockenholz in ihrer näheren Umgebung finden können. Diesen Überschuss nutzen sie nun für andere Aktivitäten, zum Beispiel dafür, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, auf den Feldern mitzuhelfen oder Bildungsangebote wahrzunehmen.

23.03.2023
Luisa Buckel