In Njombe waren Vertreterinnen der bayerische Delegation im Gespräch mit Pfarrerinnen und Theologiestudentinnen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT).

In Njombe waren Vertreterinnen der bayerische Delegation im Gespräch mit Pfarrerinnen und Theologiestudentinnen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT).

Bild: Martin Misere

Tansania

Kampf der Pfarrerinnen gegen das Patriarchat

Nur 300 lutherische Pfarrerinnen gibt es in Tansania – ihnen stehen sechsmal mehr Pfarrer gegenüber. Doch die Frauen haben sich ihren festen Platz in der Kirche gesichert.

Als Fina Makoi Pfarrerin im Süden Tansanias wurde, da machte ein Mann in ihrer neuen Gemeinde keinen Hehl daraus, was er von ihrer Ernennung hält. Nichts. „Er wollte nicht, dass ich predige – und ist dann in eine andere Gemeinde gewechselt“, sagt die 33-Jährige. Aber derartige Widerstände gebe es nicht mehr oft. Sie hat die große Mehrheit in ihrer Gemeinde mit harter Arbeit und theologischer Kompetenz längst überzeugt. Und wie geht sie mit den wenigen verbliebenen Chauvinisten in ihrer Gemeinde um? „Ich ignoriere solche Stimmen einfach.“

Makoi ist eine von rund 300 Pfarrerinnen der Evangelisch-Lutherischen Kirche (ELK) in Tansania – wo ihnen 2000 Pfarrer entgegenstehen. Seit 1991, also seit gut drei Jahrzehnten, werden Frauen in der mit acht Millionen Mitgliedern größten lutherischen Kirche Ostafrikas zur Ordination zugelassen. Das klingt zu Recht nach einer kurzen Zeit, wobei bisweilen vergessen wird, dass es die ELK-Frauenordination in einem Land wie Australien bis heute nicht gibt. Und dass sie in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern auch erst seit dem Jahr 1975 ohne die zuvor geltenden Einschränkungen möglich ist. Also nicht einmal zwei Jahrzehnte länger als in Tansania.

Frauen haben ihren Weg in Führungspositionen gefunden.

Bild: Martin Misere

Frauen haben ihren Weg in Führungspositionen gefunden.

Doch wer einige Tage durch das aufstrebende Entwicklungsland reist, der realisiert, dass der gesellschaftliche Weg zur Gleichberechtigung hier noch deutlich weiter ist als in Deutschland. Die Pfarrerinnen in Tansania mussten und müssen sich ihren festen Platz in der Kirche erkämpfen. Dafür organisieren sie sich so gut wie nie zuvor. Weil sie wissen, dass dieser Kampf noch lange nicht beendet ist. Und dass sie ihn nur zusammen gehen können.

Die Theologinnen des Landes sind Meisterinnen des Netzwerkens. Im Oktober zeigte sich das besonders deutlich, da trafen sich über 250 von ihnen in Njombe im Süden des Landes. Und empfingen im Rahmen eines Kongresses auch meinungsstarken Besuch aus Deutsch-land: Gabriele Hoerschelmann, Direktorin Mission EineWelt (MEW), Schwester Nicole Grochowina (Vorsitzende des Ausschusses Ökumene-Mission-Dialog) und Pfarrerin Sandra Bach.

Frauen in der Kirche Tansanias und in Deutschland

Frauen also, die ihren Weg in Führungspositionen gefunden haben. Teilweise ebenfalls gegen den ein oder anderen Vorbehalt in Deutschland, wenn auch subtilerer Art. Der Mangel an weiblichen Rollenvorbildern zu Beginn der Laufbahn etwa. Die Zweifel an der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Führungspositionen – die gegenüber Männern so gut wie nie geäußert werden. Oder die manchmal unverhohlen geäußerte Überraschung, wenn Schwester Nicole erwähnt, dass sie habilitiert und promoviert ist.

Themen, die in Tansania auf großes Interesse stoßen. Dort sind Vorurteile in vielen Diözesen allerdings ungleich präsenterer Teil des Alltags. Männer, die nicht wollen, dass Pfarrerinnen die im Land üblichen Ehevorbereitungskurse machen. Die es ablehnen, wenn sie das Abendmahl gestalten. „In der afrikanischen Tradition war es für uns Frauen lange unmöglich, Pfarrerinnen zu werden“, sagt Yuster Mgegekwa, eine der renommiertesten Pfarrerinnen im Süden des Landes, „die Menschen dachten, Frauen hätten nicht die Kraft, nicht die Fähigkeit, vor einer Gemeinde zu stehen und das Wort Gottes zu predigen.“ Geschweige denn, eine ganze Gesellschaft zu schulen.

Mgegekwa bekleidet inzwischen immerhin auf lokaler Ebene eine Führungsposition, was aus ihrer Sicht eine wichtige Signalwirkung hat. „Als wir Pfarrerinnen auch in höhere Positionen aufgestiegen sind, haben die Menschen unsere Kraft erlebt, unsere Fähigkeiten, wie hart wir arbeiten, um den christlichen Glauben zu lehren“, sagt sie. Erst da hätten die meisten gemerkt, dass sie der Ordination mit Vorurteilen begegnet waren.

Eine Bischöfin gibt es in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania allerdings weiterhin nicht.

Bild: Martin Misere

Eine Bischöfin gibt es in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania allerdings weiterhin nicht

Langsam, wenn auch zu langsam, weichen die patriarchischen Strukturen in Tansania generell etwas auf. Zumindest in den großen Städten widersetzen sich jedenfalls verstärkt Frauen der gesellschaftlichen Erwartung, früh eine Familie zu gründen – und konzentrieren sich zunächst auf die Karriere. Seit Anfang 2021 stellt die Nation in Person von Samia Suluhu Hassan die einzige regierungsführende Präsidentin des Kontinents. Sie wurde zwar nicht demokratisch gewählt, sondern kam als langjährige Vize-Präsidentin an die Macht, weil der damalige Präsident John Magufuli plötzlich starb. Doch Samia, wie sie in Tansania nur genannt wird, werden durchaus Chancen bei den Wahlen im Jahr 2025 zugerechnet. Sie hat so manches sexistische Gesetz der Magufuli-Ära, wie das Schulverbot für schwangere Mädchen, gekippt.

Auch der Widerstand gegen Pfarrerinnen ist seit den neunziger Jahren deutlich geringer geworden. Vielleicht, weil sie nicht nur hohe fachliche Qualität beweisen, sondern die sozialen Probleme in ihren Gemeinden mit mehr Nachdruck und Energie als viele Pfarrer adressieren. Die fehlenden Schulen etwa, die es nur einer Minderheit der Kinder ermöglicht, nach der siebten Klasse weiter zur Schule zu gehen. Wirtschaftliche Probleme, verstärkt durch Klimawandel und rasant steigende Lebensmittelpreise. Den Umgang mit Kinderhochzeiten, Fällen von sexuellem Missbrauch, auch bei Vergewaltigung in der Ehe – was in Tansania nicht als Straftat gilt. In derartigen Fällen erklärt die Polizei immer wieder die Kirchen für zuständig.

Eine Bischöfin gibt es in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania allerdings wei-terhin nicht. MEW-Direktorin Hoerschelmann hatte zum Abschied aus Njombe deshalb eine dringende Bitte: „Bei meinem nächsten Besuch möchte ich gerne einer Bischöfin die Hand schütteln.“ Garantiert ist das nicht, zumal der nächste Besuch der deutschen Theologin angesichts ihrer Verbundenheit zu Tansania wohl nicht in allzu weiter Ferne liegt.

Doch der tosende Applaus und Jubel der 250 Pfarrerinnen lässt erahnen: Sie werden alles dafür tun, um diesen Wunsch zu erfüllen.

19.12.2022
Jonathan Elian