Kronenberg ist für die chirurgische Ausbildung der Nachwuchsärzte zuständig. Mit großer Begeisterung steht der 60 jährige im neu erbauten vom kirchlichen Entwicklungsdienst finanzierten Operationssaal.

Kronenberg ist für die chirurgische Ausbildung der Nachwuchsärzte zuständig. Mit großer Begeisterung steht der 60 jährige im neu erbauten vom kirchlichen Entwicklungsdienst finanzierten Operationssaal.

Bild: Martin Misere

Tansania

Arzt aus Leidenschaft

Nach 20 Jahren Tätigkeit als niedergelassener Chirurg zieht es Dr. Werner Kronenberg zum zweiten Mal nach Tansania. Schon vor 25 Jahren war er dort für „Mission EineWelt“ als Chirurg aktiv.

Neulich war wieder so ein Nachtdienst. Eine Frau hatte ein Baby geboren – ihr sechtes – und es hörte einfach nicht auf zu bluten. Die Hebamme im Dorf rief verzweifelt beim zehn Kilometer entfernten Lutherische Krankenhaus in Ilembula an. Um kurz vor Mitternacht kam das Auto mit der blutenden Frau an.

Dort reagierte das Team um Kronenberg sofort. Postpartale Blutungen sind in Tansania häufig und gehören zum medizinischen Alltag, aber dieser Fall war besonders kompliziert. Mit Blutkonserven stabilisierte man als erstes den Kreislauf, der fast schon toten Mutter und suchte nach der Ursache der Blutung. Der Muttermund war eingerissen, doch die Blutung stoppte auch nach dem Nähen nicht. Jetzt blieb nur die Gebärmutter als Erklärung, und tatsächlich: Die Plazenta hatte sich nicht vollständig gelöst. Kronenberg versuchte mit verschiedenen Techniken die Blutung zu stillen, aber vergebens. Um vier Uhr morgens war klar, dass die Gebärmutter entfernt werden musste. Die eiligst durchgeführte OP und die zum Glück vorhandenen Blutkonserven retteten der Patientin das Leben. Eine großartige Leistung des gesamten Teams.

Einige Tage später sitzt Kronenberg im Röntgenraum im Krankenhaus-Keller. Keine Fenster, ein enges Zimmer – frisch eingerichtet mit einem digitalen Röntgengerät, das wie zuvor schon der dringend benötigte Operationssaal vom Kirchlichen Entwicklungsdienst (KED) der Bayerischen Landeskirche finanziert wurde. Ein denkbar karger Rahmen, und dennoch kriegt der 60-Jährige das Lächeln nicht aus dem Gesicht, als er von der Operation erzählt: „Leben retten macht süchtig.“

„Leben retten macht süchtig.“

Bild: Martin Miseré

„Leben retten macht süchtig.“

Der Mediziner aus Altdorf bei Nürnberg ist in dieser Hinsicht ein „Junkie“. Eigentlich ist Kronenberg – ein hochgewachsener Mann mit verschmitztem Grinsen – vorrangig für die chirurgische Ausbildung lokaler Mediziner zuständig – eine Arbeit, die ihm sehr am Herzen liegt. Aber wenn er ehrlich ist, dann sind es die Einsätze, die Notfälle, zu denen ihn seine tansanischen Kollegen hinzurufen, die ihn auch nach mehreren Tagen in Folge mit wenig Schlaf noch antreiben.

Vier Jahren ist es nun her, dass der Mediziner von „Mission EineWelt“ (MEW) Bayern nach Ilembula entsendet wurde, ein kleiner Ort im Südwesten Tansanias. Savanne, tropisches Grasland mit vereinzelten Bäumen, ein paar Dörfer reihen sich in der Gegend aneinander. Immer wieder Wasser- und Stromknappheit. Man könnte jetzt viel über die spektakulären Sonnenuntergänge erzählen, die atemberaubende Natur und Tierwelt. Doch derartige Ge-spräche unterbricht Kronenberg schnell, nicht zuletzt, weil er auch miterlebt, wie Korruption und die marode Justiz den durchaus beachtlichen Fortschritt des Landes abbremst. „Ich bin kein Afrika-Romantiker“ sagt er – „ich bin hier, weil ich Chirurg bin.“

Aber natürlich merkt man ihm die emotionale Verbundenheit zum Land an. Es ist schließlich ein wichtiger Teil seines Lebens. In den Jahren 1996 bis 2000 war er schon einmal hier,

ebenfalls von MEW entsendet. Ebenfalls in Ilembula, seine Familie lebte im gleichen Haus, das er und seine Frau jetzt wieder bewohnen. Die ersten beiden Kinder damals zwei und vier Jahre, das dritte wurde in Ilembula geboren, dem größten Hospital im Umkreis von 100 Kilometern. Er holte es selbst per Kaiserschnitt zur Welt.

Inzwischen sind die Kinder längst aus dem Haus, Kronenberg und seine Frau konzentrieren sich auf die Arbeit. Daran mangelt es beiden nicht. Die nicht minder energiegeladene Ursula Kronenberg ist entsendete Pfarrerin. Sie arbeitet für die Süddiozöse der Evangelisch Lutherischen Kirche Tansanias als Gemeindeberaterin. Dazu besucht sie, zusammen mit ihrem tansanischen Kollegen, Gemeinden in den verschiedenen Dekanaten. Diese Seminare bieten den Leitungsgremien der Kirchengemeinde die Möglichkeit, ihre Gemeindesituation zu reflektieren, sich ihrer Fähigkeiten zu versichern und Lösungsmöglichkeiten zu entdecken.

Die Gemeinschaft stärker machen – dieser Wunsch treibt beide an. „Das Ehepaar Kronenberg verkörpert mit ihrer Arbeit und ihrer Leidenschaft ganz besonders, für was wir als Organisation stehen“, sagt Claus Heim, der Fachreferent Tansania bei „Mission EineWelt“, „wir sind eine Kirche, die zur Tat berufen ist.“

Mission EineWelt

Mission EineWelt ist das Centrum für Partnerschaft, Entwicklung und Mission der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Hier werden Beziehungen zu lutherischen Partnerkirchen in Afrika, Asien, Lateinamerika und dem Pazifik gepflegt.

Spendenkonto:
Evangelische Bank eG
Mission EineWelt
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BIC: GENODEF1EK1

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Arzt Kronenberg will sich selbst und andere westlich geschulte Mediziner in Tansania noch entbehrlicher machen. Im Vergleich zu den neunziger Jahren hat sich die Situation auf ärztlicher Seite deutlich entspannt. Damals wurde noch rund die Hälfte aller Krankenhäuser in Tansania von den Kirchen betrieben. Seitdem hat die Regierung im bemerkenswerten Maße ins Gesundheitssystem investiert. Es gibt inzwischen deutlich mehr Krankenhäuser. Auch der „Brain Drain“, das Abwandern von medizinischem Fachpersonal in reichere Länder, ist in Tansania nicht so verbreitet wie etwa in anderen afrikanischen Ländern.

Doch es mangelt an Spezialisierungsmöglichkeiten für die Assistenzärzte. Das zu verändern ist eine der Kernaufgaben Kronenbergs. Kronenberg lobt die engagierten Ärzte und Ärztinnen in Ilembula, mit denen er im regen Austausch zusammenarbeite und die mit ihm die Schulung junger Ärzte/Ärztinnen in drei Krankenhäusern vorantreiben. MEW vergibt zuletzt vermehrt Stipendien zur Finanzierung einer fachärztlichen Ausbildung.

Bei der Ausbildung helfen auch die stetig verbesserten technischen Möglichkeiten in Ilembula. Und natürlich haben auch die ersten Patienten bereits von dem neuen digitalen Röntgengerät profitiert. Ein Mann mit einem komplizierten Bruch des rechten Ellbogens etwa. Oder ein sechsjähriger Junge. Er hatte eine Münze verschluckt, die in der Speiseröhre hängengeblieben war und prompt von Kronenberg und seinen tansanischen Kollegen mit einem kleinen Eingriff entfernt wurde. Ein Tansania-Schilling aus dem Jahr 1982 wurde geborgen.

Ein vergleichsweise kurioser Fall. Das Röntgengerät wird in den kommenden Jahren Tausende Aufnahmen machen, die helfen Leben zu retten. Im Verbund mit „Junkie“ Kronen-berg und seinem Team.

13.12.2022
Jonathan Elian

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